Philipp Degen strahlte. "Ich denke, dass ich mit meinem Offensiv-Spiel zufrieden sein darf und auch meine Abwehraufgaben erfüllt habe", resümierte der Schweizer nach seinem Auftritt in der Krefelder Grotenburg, "schade nur, dass wir verloren haben. Aber ich glaube, dass es ein gutes Spiel war."
Stimmt. Und es gab nicht wenige, die in Philipp Degen den besten Spieler auf dem Platz ausgemacht hatten. Nach dem Turnier in Baunatal redete ihm Bert van Marwijk ins Gewissen, ermahnte ihn, in erster Linie seine Position in der rechten Seite der Viererkette zu halten und seine Vorstöße zu dosieren, um ihnen nicht die Überraschungsmomente zu nehmen. "Er hat seine Sache diesmal gut gemacht. Ich war mit ihm sehr zufrieden", lobte van Marwijk den 22-Jährigen, der das BVB-Spiel mittelfristig in der Tat bereichern wird.
Degen bereitete mit einer bestens getimten Flanke in der 17. Minute eine erstklassige Kopfball-Chance für Jan Koller vor, und er stand auch in der Defensive genau richtig, als sich Roman Weidenfeller im Strafraum verirrt hatte und er gegen Hakan Sükür auf der Torlinie den Ball wegschlug.
Weniger auffällig agierte Delron Buckley in der Krefelder Grotenburg. Der frühere Bielefelder trat nur drei Mal in Erscheinung: Bei einer Ecke, die Jan Koller in beste Kopfball-Position brachte (36. Minute), einem leichtfertigen Ballverlust im Mittelfeld, mit dem er das 0:1 einleitete (47.) sowie seiner einzigen, von Florian Kringe vorbereiteten Chance, die er vergab (61.). "Er muss seine Spielweise umstellen, das braucht Zeit. Ihm fehlen zudem noch Frische und Aggressivität. Aber das kriegen wir hin", denkt van Marwijk positiv.
Wesentlich auffälliger und effektiver agierte Ebi Smolarek in der Offensive. Der Pole kämpfte um jeden Ball, arbeitete sehr mannschaftsdienlich und bestätigte nur den Eindruck aus den ersten Testspielen: In dieser Verfassung ist Smolarek gesetzt. Allerdings hat auch er nicht das Toreschießen erfunden.
Das wiederum könnte Borussias größtes Problem in der Nach-Ewerthon-Zeit werden. Der Brasilianer hat mit seinem Eigensinn viele Fans, Trainer und Mitspieler zur Weißglut getrieben, aber häufig geniale Treffer erzielt, mit denen er seine individuelle Klasse belegte. "Mit ihm haben wir ein Stück Qualität verkauft. Aber der Verein hatte ja keine andere Möglichkeit", kommentiert van Marwijk den Transfer des Stürmers zu Real Saragossa.
Der BVB kann nur hoffen, dass in Kürze Lars Ricken den Konkurrenzkampf im Angriff belebt. "Er steigt Dienstag oder Donnerstag wieder ins volle Training ein", berichtet van Marwijk, "wir wissen, wie wertvoll Lars für die Mannschaft ist. Aber er muss körperlich top-fit sein." Bis Samstag wird sich Ricken nicht in diesen Zustand bringen, aber im Rückspiel in Olmütz könnte van Marwijk vielleicht mit ihm planen.
Und damit wären wir beim größten BVB-Problem: van Marwijk fehlen Alternativen, der Konkurrenzkampf ist weitgehend außer Kraft gesetzt, weil dem Kader in der Breite Bundesliga-Qualität fehlt. Markus Brzenska kann problemlos die Abwehr ergänzen, Ricken Druck ausüben auf die Offensiv-Spieler - das war es dann auch schon. Diese Situation indes wird zur großen Chance für Spieler wie Gambino, Odonkor und Caliskan. Es liegt allein an ihnen und ihrer Einstellung, im Training und in Kurzeinsätzen Ansprüche geltend zu machen. Dafür müssen sie mehr tun als die Gesetzten.
10.07.2005 Von Wilfried Wittke