"Welcher Degen sticht?" - Heute ruht für
90 Minuten die Freundschaft der Zwillinge
[17.02.] "Bruderkampf im Westfalenstadion". So war vor 15 Jahren die frechste Zeitungs-Ente im Dortmunder Sportjournalismus überschrieben. Sie thematisierte das vermeintliche Zusammentreffen der "Brüder" Knut und Alois Reinhardt im Trikot von Borussia Dortmund und Bayern München. Auch die angebliche, gemeinsame "Mutter" wurde zitiert, die aus der Kindheit der Buben berichtete...
Nichts war wahr an der Geschichte, nichts bis auf die gleichen Nachnamen, die der am 27. April 1968 in Hilden (Rheinland) geborene Knut und der am 18. November 1961 zur Welt gekommene und im Raum Erlangen aufgewachsene Alois Reinhardt tragen.
Aus diesem Grund haben wir uns rückversichert: Ja, Philipp und David Degen sind miteinander verwandt. Sie sind Brüder, Zwillinge, eineiige noch dazu. Und sie treffen am Samstag zum "Bruderkampf" aufeinander.
Können wir sicher sein, dass der richtige Degen im richtigen Trikot steckt?
David Degen (beim Anpfiff 24 Jahre, 2 Tage und 5½ Stunden alt): "Es wäre vielleicht mal einen Versuch wert, so einen Spaß zu machen. Aber am Samstag ganz bestimmt nicht. In diesem Spiel geht es für beide Mannschaften um zu viel."
Würde es auffallen, und wenn ja woran, wenn Ihr vor dem Anpfiff die Trikots tauscht?
Philipp Degen (beim Anpfiff 24 Jahre, 2 Tage und 5 Stunden alt): "Wenn man uns kennt, merkt man den Unterschied."
David: "Die Zuschauer würden es nicht erkennen, wahrscheinlich aber die Mitspieler. Wir haben zwar die gleichen Bewegungen, unsere Spielweise jedoch ist etwas anders."
Wo liegen die Unterschiede?
David: "Philipp ist rechter Verteidiger, ich spiele rechts im Mittelfeld. Das sagt schon etwas."
Philipp: "Meine Art ist die ruhigere. Unterscheiden kann man uns im Gesicht: Ich habe ein, zwei Narben mehr als er."
Hat in der Vergangenheit mal der eine das Trikot des anderen getragen?
David: "Nein, wir haben uns noch nie vertauscht, um es mal so zu sagen..."
Philipp: "... wir sind, was das anbelangt, immer sehr korrekt umgegangen."
Wie war das in der Schule? Gab es Fächer, die dem einen mehr lagen als dem anderen, und in denen dieser dann ausgeholfen hat?
David: "Ja, in der Schule ist so etwas häufiger vorgekommen. Ich habe mich mal für Philipp in eine Klausurprüfung im Fach Mathematik gesetzt."
Und, hat "er" bestanden?
David: "Natürlich!"
Philipp: "Das war in unseren jungen Jahren! Solche Streiche sind zu verzeihen..."
Habt Ihr auch mal bei einem Date die Rollen getauscht?
Philipp: "Noch nie! Das wäre für die Betroffene der reinste Horror. Wir sind nicht die Typen, die damit spaßen."
David: "Aber es gab schon viele Verwechselungen. Es ist schon komisch, wenn eine hübsche Frau auf dich zukommt, Hallo sagt, und du nicht weißt, wer das ist..."
Man hört von befreundeten Fußballern, dass sie in der Woche vor einem direkten Duell nicht mehr miteinander telefonieren. Haltet Ihr das auch so?
David: "Man kann das Verhältnis zwischen Freunden und Geschwistern nicht miteinander vergleichen. Es ist viel intensiver. Wir sind eineiige Zwillinge, haben viel mehr auszutauschen als dies unter Freunden üblich ist. Es wäre unmöglich, in dieser Woche nicht miteinander zu telefonieren. Allerdings: Wenn der Schiedsrichter anpfeift, hört die Verwandtschaft für 90 Minuten auf."
Philipp: "Wenn ich meinen Bruder attackieren muss, dann attackiere ich ihn auch."
Wenn Ihr den Kontakt vor dem Spiel ruhen gelassen hättet, dann hättet Ihr Euch am Donnerstag auch nicht gegenseitig zum Geburtstag gratulieren können...
David (lacht): "Das wär´ blöd gewesen, oder?!"
Nun aber war das BVB-Trainingslager dazwischen gekommen...
Philipp: "Natürlich hätte ich lieber mit meinem Bruder gefeiert. Aber Borussia Dortmund geht jetzt vor. Wir stehen auf einem Platz, der in keinster Weise unseren Ansprüchen entspricht. Jeder Einzelne steht in der Pflicht, alles, wirklich alles für den Verein zu tun."
David: "Dabei hatten wir schon alles geplant. Ich wollte nach Dortmund kommen, um mit Philipp zu feiern."
Hilft es, dass der Bruder nur eine Autostunde entfernt wohnt?
Philipp: "Es ist schön, dass er wieder in meiner Nähe ist, weil wir sehr eng miteinander verbunden sind."
David: "Ob fünf Stunden oder eine - das wäre egal. Jeder muss seinen Weg gehen, auch wenn es schön wäre, wenn wir - wie im Länderspiel gegen Deutschland - irgendwann noch einmal beim gleichen Verein spielen würden."
Philipp: "Dann musst du aber zu uns kommen..."
David: "Das Länderspiel hat gezeigt, dass wir uns blind verstehen und offensiv eine Waffe sein können. Ich weiß, was er will; er weiß, was ich will. Dadurch sind wir dem Gegner einen Schritt voraus."
David, hat es dir leichter gemacht, dass Philipp schon ein Jahr in Deutschland und damit in der Bundesliga war?
David: "Ich bin ein selbständiger Typ und hätte auch so keine Probleme bekommen. Philipp hat mir nicht großartig helfen müssen."
Gab´s denn Tipps von Philipp?
David: "Er hat mich auf den Umgang mit den Medien hingewiesen. Auch seine weiteren Ratschläge waren insgesamt sehr hilfreich."
Unter Jupp Heynckes bist Du in der Hinrunde nur zehn Mal als Einwechselspieler zum Zug gekommen, im Schnitt erst ab der 68. Minute. Zum Rückrundenstart setzte der alte Trainer plötzlich auf Dich, unter Nachfolger Luhukay scheinst du wieder hinten an zu stehen. Siehst Du Dich als Verlierer des Trainerwechsels?
David: "Diese Frage lässt sich noch nicht beantworten. Richtig ist, dass ich zum Rückrundenstart einen Schritt weiter war, als ich das heute möglicherweise bin. Und klar ist auch, dass ich enttäuscht war, dass ich zuletzt nicht von Anfang an gespielt habe. Aber ich akzeptiere die Entscheidung. Mein Job ist es aber nicht zu reden, sondern auf dem Fußballfeld Gas zu geben."
Philipp, während des Trainingslagers in Marbella hieß es, du wärst der "Gewinner des Trainerwechsels". Nach einem starken Spiel gegen die Bayern kannst Du mit den folgenden Leistungen aber nicht zufrieden sein...
Philipp: "... überhaupt nicht!"
Warum haben wir in Dortmund den Philipp Degen, wie ihn die Schweiz aus der "Nati" kennt, bislang nur selten gesehen?
Philipp: "Im Trainingslager haben wir ihn gesehen... Woran es liegt, weiß ich auch nicht. Die Mannschaft spielt nicht so, wie sie es sich vorstellt. Das färbt sicherlich auf den Einzelnen ab, darf aber keine Entschuldigung sein. Ich weiß, dass ich viel mehr kann und viel mehr zeigen muss!"
Wie kann es angehen, dass Borussia Dortmund gegen Bayern München, in Bremen und in Stuttgart gewinnt, sich aber innerhalb von zehn Tagen zwei Mal beim Tabellenletzten blamiert und regelmäßig gegen schwächer einzustufende Teams Punkte lässt?
Philipp: "Wir haben ein sehr junges Team - das ist ein Ansatz, aber keine Begründung. Warum uns die Konstanz fehlt, kann ich nicht erklären. Jeder Einzelne muss noch mehr an sich arbeiten und auf dem Platz alles geben. Dann kommt vielleicht auch das Glück zurück."
Das war gegen die Bayern doch da - genauso wie der Kampf, der Einsatz, der Glaube an den Sieg. Das kann doch nicht durch eine Niederlage in Mainz verschüttet worden sein. Wo ist das Feuer?
Philipp: "Wenn ich das wüsste, würde ich die Antwort nicht verschweigen. Wir müssen uns jetzt auf dem Platz gegenseitig noch mehr anspornen und Selbstvertrauen geben. Es geht nur mit einem vernünftigen Miteinander. Wir müssen als Team auftreten und dem Gegner zeigen: An uns kommt keiner vorbei!"
War es richtig, die Mannschaft von äußeren Einflüssen fern zu halten und ab Donnerstag in einem Trainingslager zusammenzuziehen?
Philipp: "Wenn der Trainer so entscheidet, akzeptiere ich das. Er wollte die absolute Konzentration auf das Spiel gegen Gladbach lenken. Und das ist richtig, denn wir haben jetzt drei Mal in Folge verloren. Es musste etwas passieren."
Wie endet das Borussen-Derby?
David: "Es ist traurig, dass wir so weit unten stehen und Dortmund jetzt auch noch abgerutscht ist. Der BVB wird alles geben, um gegen uns zu gewinnen. Aber auch wir müssen siegen, sonst stecken wir möglicherweise noch tiefer im Schlamassel, weil ich erwarte, dass Hamburg eine Serie hinlegen wird. Ich hoffe, dass wir 2:1 gewinnen."
Philipp: "Ich wage keine Prognose. Wir sind Hausherr, und wir wollen auch Herr im Hause sein!"
Gelingt die Trendwende und damit auch eine versöhnliche Rückrunde?
Philipp: "Die Trendwende muss gelingen. Wir sind nur noch fünf Punkte von einem Abstiegsplatz entfernt. Das ist nicht der Anspruch von Borussia Dortmund, vom gesamten Team und auch nicht von mir selber."
Schafft Borussia Mönchengladbach den Klassenerhalt?
David: "Wir müssen es schaffen! Dieser Verein darf nicht absteigen!"
Das Gespräch führte Boris Rupert
Quelle: www.bvb.de